Dem leeren Buch vergleich’ ich
unser Leben,
Das wir mit Inhalt erst zu
füllen haben;
Dem leeren Kelch, drein, soll
sein Trank uns laben,
Wir gießen müssen selbst das
Gold der Reben.
Nach hochgestecktem Ziele gilt’s
zu streben,
Dafür zu opfern unsre besten
Gaben;
Nur dieses macht uns übers
Tier erhaben,
Vermag dem Dasein Wert und
Zweck zu geben.
So winkt auch mir ein hohes
Ziel im weiten,
Das ich zum Hafen meines Seins
erwähle,
Zeitlebens sonder Wank ihm
nachzuschreiten.
Auch weiß ich keinen Grund,
daß ich’s verhehle:
Den Kranz des Dichters wünsch’
ich zu erstreiten,
Mich einzusingen in des Volkes
Seele.
Mir widerstrebt’s, auf reiner
Dichtkunst Schwingen
Zu nie genoss’nen Freuden
aufzuschweben;
Was ich besing’, ich mußt’ es
stets erleben,
Und was ich selbst erlebt nur,
mag ich singen.
Nur selten wird mir’s und im
Zwang gelingen,
Aus ganz erdachter Lust ein
Lied zu weben;
In meinem Glücksdurst ist mein
höchstes Streben,
Die Dichtung all zur
Wirklichkeit zu zwingen.
Drum nehmt für wahr und
wirklich, was ich dichte,
Und nicht für selbsterheckte
Traumgesichte,
Nehmt alles für Erlebnis, für
Geschichte!
Was nützte mir die Kunst der
ganzen Erde,
Sollt’ ich ein Leben fristen
gleich der Herde
Und nicht gebieten jedem
Wunsche: werde!
Das dünkt mich nicht der
wahrhaft große Dichter,
Der zwar vom Schönen, wahren,
Guten schreibt,
Doch selber weit zurück
dahinter bleibt,
Gen andre streng, sich selbst
ein milder Richter.
Das ist des eignen Worts und
Werts Vernichter,
Der anders predigt, anders
lebt und leibt,
Den einzig Eitelkeit zum Dichten
treibt,
Nicht wahrer Kultus jener
Himmelslichter.
Dem echten Dichter sei das
höchste Streben,
Dem reinen Ideal, das er
verkündet,
Nach besten Kräften treulich
nachzuleben.
Auf ihn zunächst käm’s, den
Beweis zu geben,
Daß seine Lehr’ auf
Möglichkeit gegründet
Und nicht ein lustig eitles
Wolkenweben.
Der blose Inhalt macht noch
kein Gedicht,
Um dessen Wert den Dichter man
beneide;
Es gleicht dem Fürsten im
Bedientenkleide,
Man kennt ihn nicht und sieht
den armen Wicht.
Doch auch die bloße Form noch
macht es nicht,
Wie groß auch sei des äußern
Sinnes Weide;
Es gleicht dem Diener dann in
Samt und Seide,
Er ist entlarvt, erwägt man,
was er spricht.
Der bloße Inhalt ist der Wein,
meim Mahle
In Tongefäßen dargereicht den
Gästen;
Die bloße Form die edle, gold’ne
Schale,
Mit wasser angefüllt bei trunk’nen
Festen;
Der gold’ne Wein schmeckt nur
im Goldpokale
Und schöner Geist in schöner
Form am besten.
Wie kommt es, daß, solang ich
schaffe, dichte,
Mir, was ich hinschreib’,
stets erbärmlich sheint,
Mein Urteil stets im Lauf der
Arbeit meint,
Das schlecht mein Werk, das
ich’s zuletzt vernichte?
Und wenn nach Stund’ und Tag
ich drüber richte,
Wie kommt’s, daß nun mein
Tadel wird verneint,
Daß alles sich zum Ganzen
trefflich eint,
Daß ich’s nun seh’ in günstig
mildem Lichte?
Ist’s, weil das Schlecht’ste,
oft und oft gelesen,
Am Schlusse doch Gefallen
weckt und Lust,
Zumal wir meist verliebt in
unser Wesen?
Ist#s, weil, wer just der Muse
Kuß empfindet,
Das Rechte ausführt blind und
unbewußt
Und erst nachher das Urteil
wieder findet?
Als Dichters Sendung gilt seit
ält’ren Tagen:
Der Menschheit Jubeln und ihr
ganzes weinen
Im tiefsten Herzen liebend zu
vereinen,
Mit gleichem Anteil singend
Lust und Klagen.
Doch mir indes will anders,
muß ich sagen,
Hienied’ des Dichters
Priesteramt erscheinen:
Er soll das Weh verwinden und
verneinen,
Durch Licht zur Freude soll
sein Lied uns tragen.
Der Dichter lebe mit dem
Schmerz im Streite,
Sei Hort und Tröster
zweifelndem Geschlechte,
Nicht mitsamt seiner weichen
Jammers Beute.
Er schau’ die Sonne selbst in
schwarzer Wolke,
Und, ausgestreckt nach ihr die
Priesterrechte,
Weis’ er den Weg des Lichtes
seinem Volke!
Du trautes Licht, das mir so
manche nächte
In hellen Tag zu wandeln warst
beflissen,
Das mir geleuchtet auf dem
Pfad zum Wissen,
Mir Fackel warst in tiefste
Geistesschächte;
Verkannter Stern geheimer
Himmelsmächte,
Oft einzig Licht in Daseins
Finsternissen,
Dein Lob zu singen treibt mich
das Gewissen,
Denn auf mein Schaffen hegst
du Helfersrechte.
O möcht’st du doch, das mir so
oft geschienen
Beim Dichtersang in
gottberauschten Stunden,
In ihm als Geisteslicht der
Welt einst dienen,
Und du, o Lampe, noch in spät’sten
Tagen,
Wann längst mein irdisch Teil
hinweggeschwunden,
Ein Leuchtturm hoch in fernste
Weiten ragen!
Ihr tadelt mich mit kritisch
finstern Mienen,
Daß meine Muse zu persönlich
sei,
Daß ich zu gern mein eigen
Konterfei,
Mich selber male mit dem Fleiß
der Bienen.
In unsrem trock’nen Zeitraum
der Maschinen,
Der Gleichheit aller – aller Sklaverei,
Gilts doppelt hoch, zu bleiben
selbst und frei,
Statt nur als Rad im Räderwerk
zu dienen.
Auch wahrlich fänd’ ich keinen
Zweck im Leben,
Wär’s nicht des Einzelwesens
Seinsentfaltng,
Des Menschen höchstes Ziel im
Weltenweben.
Der Künstler vollends kennt
kein andres Streben,
Als in gewaltig hoher Ich-Gestaltung
Sein selbstgemaltes Bild der
Welt zu geben.
Der Seichten spott’ ich, die
nur rufen: Klärung!
In diese Ford’rung jedes
Urteil zwängen;
Die jedes höh’re Stürmen,
Jauchzen, Drängen
Nur unreif schelten,
Jugendwahns Gewährung.
Von Klärung sprich, wer selbst
gefühlt erst Gärung!
Allein was ist die blinden,
stumpfen Mengen?
Begeist’rung, Liebe auf den
Nagel hängen
Und leben hübsch der Pflicht
und der Ernährung!
So nimmt’s die Masse! Soll ich
so mich klären?
Nein, lieber ewig soll’s da
drinnen gären,
Und ewig mög’ ich bleiben, der
ich bin!
Wenn ich durch Kläung andres
nicht erreiche,
Als daß ich jenen, die sie
raten, gleiche:
Ist Klärung ein Verlust und
kein Gewinn!
Gestehn wir uns: uns läßt der
Geist im Stiche,
Die deutsche Dichtkunst liegt
gebannt im Schlummer,
Verurteilt wär’ zum
kläglichsten Verstummer,
Wer heut’ den größten
deutschen Sängern gliche.
Heut’ führen bloß Reklam’ und
nied’re Schliche
Zu Ruhm empor, Genie zu Qual
und Kummer,
Talent besiegt ein Kranker
oder Dummer,
Der statt Gedanken bringt –
Gedankenstriche.
O deutsche Dichtkunst,
schlummernde Walküre,
Wo weilt dein Siegfried, der
dich weckt, der Frohe?
O dürft’ ich selbst mich
deinen Wecker nennen!
Nicht ziemt mir dies – Allein.
bei Gott! ich spüre
Zu meinen Füßen längst die
Waberlohe
Wildwütend mir um Leib und
seele brennen.
Seh’ ich im Volk, für das ich
denk’ und dichte,
Mich unbekannt, wie seiner
Kleinsten einen,
Genannt viel schlechtre Namen,
nur nicht meinen,
Für mich verrichtet nur, was
ich verrichte;
Seh’ ich, wie Plan um Plan mir
wird zunichte,
Als der ich bin dem Volke zu
erscheinen,
Verlag und Zeitung offen allem
Kleinen,
Nur echtem Korn verschlossen
und Gewichte;
Und sag’ ich mir zum Trost:
heut’ oder morgen,
Nach zehn, nach zwanzig,
fünfzig, hundert Jahren
Muß meine Art sich sieghaft
offenbaren:
Ade dann Schmerzen, Ärger,
Kummer, Sorgen!
Mich hat, liegt solch ein
Ausblick vor mir offen,
Der Menschenlose größtes doch getroffen!
Wie den Kometen auf der
Weltenreise
Gewalt’ge Sonnen ziehn von
seinem Gange,
Daß er, gehorchend fremder
Riesen Zwange,
Oft unfrei ändert seine ew’gen
Kreise:
So lenkt auch mich in meiner
Sangesweise
Bald der, bald jener Stern vom
ersten Range,
Er zieht mich an mit übermächt’gem
Drange,
Und schwankend werden meiner
Richtung Gleise.
Der Du die Geister lenkst und
die Kometen,
Schreib’ eigne Ziele mir auf
meine Fahnen,
Laß nicht Vasalln mich werden
der Poeten!
Gib mir die Stärke jener
großen Ahnen,
Daß ich, ob einsam auch und
unbetreten,
Stets kraftvoll wandle
selbsterschloss’ne Bahnen!
Das fünfte Buch! Und ganz noch
unbekannt!
So fremd der Welt, wie vor den
ersten Zeilen!
Bewahrt vor Lob und vor des
Tadels Pfeilen,
Leb’ ich verschollen, einsam,
ungenannt.
Das fünfte Buch! Und so wird
Band um Band
Nachfolgen noch, indes die
Jahre eilen,
Und jeder wird des ersten
Schicksal teilen,
Verschwinden spurlos,
hingeweht im Sand.
Warum ich da noch schaffe,
wirke, dichte?
Ist doch zu alt der Fall in
der Geschichte,
Als daß ich nicht das Ende
absehn sollte:
Den alten Kehrreim von den
späten Kränzen,
Die auf den Schädeln toter
Menschen glänzen,
Von denen nichts die Mitwelt
wissen wollte.
Ich habe nachgedacht, wie es
beginnen,
Dem Publikum von heute zu
gefallen
Und Leser und Kritik mir zu
gewinnen.
Und da man heute spurlos hört
verhallen,
Was du nach großen Mustern
magst ersinnen,
Die selbst dem Spott des
Zeitengeists verfallen;
Und da den Ruhm heut’ keiner
faßt beim Schopfe,
Der altes Garn rollt um der
Dichtkunst Spule,
Und da nur groß heißt vor des Alltags
Pfuhle,
Wer stets nur Neues braut im
alten Topfe,
Und nach Verkehrtem sitzt die
Sucht am Stuhle
Der heut’gen Zeit, und wär’s
vom dümmsten Tropfe:
So schrieb ich dies Sonett
hier auf dem Kopfe;
Schlägt alles fehl, macht d a s
vielleicht noch Schule!